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Der eine brennt, der andere rennt...

Gerd ist Feuer und Flamme: endlich wieder ein Wettkampf! Er hat sich für die 10-km-Strecke Walking angemeldet. Seit Wochen trainiert er fleißig. Trotzdem stapelt er tief und peilt eine Zeit zwischen 1:45 und 1:30 an. Von wegen!, widerspreche ich. Gesprächsstoff haben wir also genug auf der Fahrt nach Heilbronn. Am Frankenstadion trennen wir uns, weil Gerd schon einmal seine Tasche abgeben will (obwohl er eine Stunde später startet); ich begleite Michaela zum Fototermin von Wino Bio, für die sie heute an den Start geht. Die Zeit wird knapp, wir verabschieden uns, und als wir die lange Schlange vor der Damentoilette sehen, nehme ich Michaelas Gepäck, um es schon einmal abzugeben. Fünf Minuten vor dem Start ist sie immer noch nicht am vereinbarten Treffpunkt. "Wir gehen jetzt!", entscheidet Gerd. "Ich gehe am Neckar vor, stelle mich an die Kurve und sag dir nachher, ob Michaela schon durch ist oder ob du warten musst." Wir wollen nämlich gemeinsam den Halbmarathon bezwingen. Ich bin aber kaum im Startblock, da kommt Michaela auch schon und findet mich.

Startschuss! Erst einmal geht es auf den langen Einfallstraßen im Schatten der Bäume, dann über den Neckar, irgendwann erreichen wir die Vororte und dann sehen wir schon die Weinberge. "Jetzt geht's gleich bergauf!", rufe ich erfreut und ernte Stöhnen rund um mich herum. Wir haben heute viel Zeit zum Reden, denn so schnell rennen wir nicht, außerdem sind ideale Laufbedingungen, heiter, aber die Sonne knallt nicht herunter, angenehme Temperaturen. Viel Zeit zum Reden also. Mit einem Anwalt fachsimpele ich über Mundraub, den es nicht mehr gibt. Sein Motto auf dem Shirt: "Gut gelaufen" - der Prozess schon, ob er auch den Lauf packt? Überhaupt die Sprüche! Am schönsten gefällt mir das Motto "Teig ruht, Bäcker läuft." Auffallend viele tragen ein graues Trikot der Firma Herter, ein Sanitärbetrieb. Als wir wieder eine Gruppe erreichen, rufe ich: "Was passiert denn, wenn heute eine Heizung ausfällt? Habt ihr wenigstens Notdienst?" Immerhin eine Frau erbarmt sich und meint, "das ist doch dieses Jahr der Trikot-Sponsor." Wie peinlich. Manche laufen auch in Kostümen, um einen Wettbewerb zu gewinnen; am besten gefällt uns eine Familie: der Vater schiebt einen Karren, auf dem ein goldener Thron geladen ist, auf dem die kleine Tochter wie eine ägyptische Prinzessin huldigt, und hinten hämmert die Mama auf Pauken. Und das am Muttertag!

Die Weinberge packen wir gut, oben am höchsten Punkt begrüßen uns Alphornbläser. Dann geht es schön bergab. Wir treffen Maddin (1), mit dem ich ein paar nette Worte wechsle, aber als er uns vollquatschen will, schaue ich kurz zu Michaela und sage: "Vollgas!" Wir haben genug Reserven, um ihn abzuhängen. Es sind noch sechs Kilometer bis ins Ziel, als die Walker auf die Strecke einbiegen und es wird erstmal sehr eng. Ich rufe laut "Rechts stehen, links gehen", bis endlich eine Walkerin die Boshaftigkeit begreift und laut protestiert. Ob wir Gerd wohl treffen? Als wir Richtung Böckingen auf einer ewig langen wie langweiligen Gerade immer weniger Walker überholen, meint Michaela, den Gerd treffen wir nicht. Doch dann, bei km 19, rufe ich: "Da vorn ist Gerd!" Michaela zweifelt erst, doch alles passt: die leuchtend gelbe Kappe, das gelbe Shirt, der Gang. Als wir ihn endlich einholen, brülle ich ihm ins Ohr: "Du Tiefstapler!" (2) Gerd erschrickt, dann freut er sich, dass wir ihn jetzt erst überholen.

Dann der Einlauf ins Frankenstadion. Immer wieder schön. Ich lasse mir von einem Käthchen die verdiente Medaille umhängen. Leider müssen wir dann so lange am Bierstand anstehen, dass wir Gerds Zieleinlauf verpassen. Aber es kann ja nicht alles glatt im Leben gehen!

(1) Name von der Redaktion geändert

(2) In Wirklichkeit wurde ein kräftigeres, wenn auch lieb gemeintes Schimpfwort gerufen.


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