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High Noon in Bad Mergentheim

Aktualisiert: 4. Jan. 2020

Nun ist es also soweit. Heute findet die Challenge statt. Ich habe sehr gut trainiert, bin Dienstag zum letztenmal gerannt, um zu regenerieren, und bin bester Dinge. Die Challenge werde ich gewinnen: Andi wird es nicht schaffen, mich beim Halbmarathon in Bad Mergentheim zu überrunden!

Im malerischen Deutschordens-Städtchen treffen wir die anderen Lauftreffler auf dem Marktplatz, der sich allmählich füllt. Auch Andi sieht siegesgewiss aus - auf jeden Fall seine Betreuer. Er fragt nochmals nach meiner Rundenzeit, die ich anpeile, aber natürlich bluffe ich, um mir nicht in die Karten blicken zu lassen. Ich habe trainiert auf einen Schnitt von 5:30 min den Kilometer: bei einer Altstadtrunde von 1,1 km und vier Runden zu 5 Kilometer sollte er mich auf keinen Fall packen...

Offenbar sehe ich weniger trainiert aus, als ich denke, denn Sonja verspricht mir spontan ein dickes Eis, wenn ich tatsächlich die Challenge gewinne. Wenn sie wüsste! Zunächst jubeln wir den Kindergartenkindern zu, die immerhin 600 m Strecke bewältigen müssen. Mitten im Pulk rennt Anthea, mit geballten Fäusten und entschlossenem Gesicht, erst als sie die Zurufe hört und die Kamera sieht, winkt sie und strahlt über das ganze Gesicht, dann geht's weiter Richtung Ziel, wieder pure Entschlossenheit. Wenn ich nur schon so weit wäre!

Der Startschuss ertönt. Ich renne hinter Andi her und bleibe ihm zumindest am Anfang dicht auf den Fersen. Auf den ersten Kilometer durch die Altstadt nimmt er mir nur eine halbe Minute ab. Ich habe es genau ausgerechnet: mehr als 1:15 min pro Kilometer darf ich nicht langsamer sein. Also alles geben! Ich muss mein Tempo ja nur bis zur dritten Runde durchhalten.

Die Strecke ist sehr schön. Ein Rundkurs durch die Altstadt, durch den Schloss- und dann den Kurpark (in dem ich dann allmählich die Sicht auf Andi verliere), hinaus auf die Wiesen am Ortsrand, zurück in den Schlosspark und wieder auf die Zielgerade. Der schwierigste Teil ist im Schlosspark, wo es den zahlreichen bummelnden Passanten und Hunden auszuweichen gilt. Ich halte mein Tempo: die ersten fünf Kilometer unter 5:00 min den Kilometer, die nächsten fünf nur knapp drüber. Am Anfang der dritten Runde ruft mir Sonja zu: "Andi hat nur zehn Minuten Vorsprung!" Da weiß ich: ich schaffe es!

Obwohl ich jetzt immer öfter hinter mich blicke und immer einen Schreck bekomme, wenn ich ein giftgrünes Laufshirt sehe, aber der Blick zu den Beinen, an denen die grellorangen Kompressionsstrümpfe fehlen, bringt die Lockerheit zurück. Auf den letzten 1000 Metern flitze ich an Michael vorbei, der die 10 Kilometer bezwingt. Dann endlich das Ziel in Sicht! Ich laufe winkend und jubelnd durch die Menschenmassen an den Absperrgittern, reiße wie ein Sieger die Arme hoch - und renne am Ziel vorbei. Ich habe zwar die Challenge gewonnen, muss aber noch eine Runde schaffen. Das werden dann die anstrengendsten fünf Kilometer meines Lebens in absoluter Minusrekordzeit...

Im Ziel wird gefeiert. Andi hat immerhin eine beachtliche Zeit geschafft und wurde in seiner Altersklasse Zweiter, Gerd rannte wieder Erwarten unter zwei Stunden und ich kam trotz meiner schwachen letzten Runde noch vor Heiko ins Ziel.

UND ICH BIN DER SUPERHELD! In den Comics merkt man den Superhelden aber nie Schmerzen oder Erschöpfung an. Bin ich der einzige Superheld, der fast nicht mehr laufen kann und das Gelächter der Kameraden ertragen muss, wenn er versucht, Treppen zu steigen? Egal! Ich bin der CHALLENGE CHAMPION!

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